Ochsenschwanz bei Niedrigtemperatur gegart (oder, anders ausgedrückt, “Sous Vide”) ist für mich die Lösung eines uralten Küchenproblems: Wie, bitteschön, kriegt man einen Ochsenschwanz zart und weich? Mit konvemtionellen Methoden geht das nämlich eigentlich nicht: Entweder, der Fleisch-Anteil am Ochsenschwanz ist zart, dann sind Bindegewebe und Sehnen noch hart wie Beton. Oder man gart das Ganze so lange, bis auch die Sehnen weich sind – dann sind aber die Muskelfasern im Ochsenschwanz komplett fest wie Beton.
Der Ausweg aus diesem Dilemma heißt, wie so oft: Niedrigtemperatur, bezeihungsweise Sous-Vide-Garen.
Und das geht so: Man nehme einen guten Ochsenschwanz. Und das sage ich an dieser Stelle nicht einfach nur so. Ich habe tatsächlich die Erfahrung gemacht, dass es sehr große Qualitätsunterschiede gibt. Das Problem mit den billigen Qualitäten aus dem Supermarkt ist: Man kann damit machen, was man will – es schmeckt einfach nicht. Deswegen gebe ich gerne ein wenig mehr (und das stimmt hier tatsächlich: der preisliche Unterschied ist wirklich nicht groß!) für einen guten Ochsenschwanz aus. Also z. B. Bio oder von einem Bauern, der bei der Rinderzucht wirklich weiß, was er tut.
Diesen Ochsenschwanz teile ich, soweit nötig, in handliche, ca. 10 cm dicke Abschnitte. Die werden gründlich gewaschen, trocken getupft und dann einvakuumiert. Die einvakuumierte Tüte nehme ich dann, stecke sie in eine weitere Tüte und vakuumiere nochmals. Damit ist das Fleisch letztlich von 2 Schichten “Tüte” umgeben. Eine kleine Warnung an dieser Stelle: Wer keinen Vakuumierer hat und deshalb mit der “Guerilla-Technik” arbeiten muß, sollte dieses Rezept lieber nicht versuchen. Bei der Guerilla-Technik des Sous Vide-Garens steckt man das Gargut in Zipper-Beutel, und versucht diese von Hand möglichst luftdicht zu verschließen. Und diese Methode funktioniert hier einfach nicht.
Ochsenschwanz Niedrigtemperatur 100 Stunden im Sous Vide-Bad
Jedenfalls: Jetzt beginnt der interessante Teil. Wir bereiten nun ein Wasserbad mit der Temperatur 60,0° vor. Dazu braucht man einen Sous-Vide-Temperierer. Auch hier funktioniert die Guerilla-Methode (sehr großen Topf mit kochendem Wasser zu 2/3 füllen, dann mit kaltem Wasser aufgießen, bis 60° erreicht sind) leider nicht.
Denn wir wollen unseren Ochsenschwanz nicht einfach nur kurz mal ins warme Wasser tauchen. Nein. Weit gefehlt. Der Ochsenschwanz bleibt sage und schreibe 100 Stunden (für Mathe-Deppen wie mich: Das sind vier komplette Tage) im Sous-Vide Wasserbad bei Niedrigtemperatur. Deshalb wird er auch doppelt vakuumiert. Denn das kleinste Leck im Beutel würde bei dieser extrem langen Garzeit nicht nur zu hygienischen Problemen, sondern auch einem extrem unangenehmen Geruch führen, der die gesamte Wohnung durchzieht. Ich weiß hier übrigens aus der Praxis, wovon ich rede.
Wegen der langen Garzeit bei Niedrigtemperatur muß man das Sous Vide-Wasserbad regelmässig kontrollieren und vermutlich öfter mal Wasser nachgießen (und zwar heißes!), damit der Ochsenschwanz nicht am Ende im Trockenen liegt.
Läuft alles gut, dann hat man nach vier Tagen des geduldigen Niedrigtemperatur-Garens im Sous Vide-Wasserbad einen wirklich (!) butterzarten Ochsenschwanz. Man kann das Fleisch ohne jegliches Werkzeug ganz locker von den Knochen zupfen. Danach kann man es für alles mögliche verwenden. Zum Beispiel für die klassische Ochsenschwanz-Suppe (für die man natürlich vorher mithilfe eines weiteren Ochsenschwanzes eine aromatische Brühe hergestellt hat; der Sous-Vide-Ochsenschwanz wird nur ganz kurz angebraten und dient als Einlage). Oder Ravioli. Oder eine schöne Nudelsauce.
Guten Appetit!
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