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Rioja gehört einfach zu Spanien. Genau wie Paella, Sherry oder Mallorca. Diese Stichwörter kennt jeder. Allerdings war ich auch sehr positiv überrascht, welche Vielfalt an Genuß diese Weinregion bietet.
Klar, man kennt ihn, den Rioja – einen Rotwein, der sich gut trinken läßt und der nach Urlaub, Sonne und Mittelmeer schmeckt. Das ist schon alles richtig – aber lange nicht die ganze Wahrheit. Denn welche Geschmacksvielfalt sich auftut, wenn man sich mal etwas genauer mit dem Thema beschäftigt, das ist schon ganz erstaunlich.
Aber der Reihe nach. Die Region Rioja ist nur eines von zwei Gebieten in ganz Spanien, das die Herkunftsbezeichnung “DOCa” tragen darf (“Denominación de Origen Calificada”). Das bedeutet, dass sehr viele Details der Weinproduktion sehr genau geregelt sind. Von den Rebsorten (beim Rotwein hauptsächlich Tempranillo), aber auch Höchsterträge und die Flaschenabfüllung wird nichts dem Zufall überlassen. Umso erstaunlicher, dass die über 600 Weingüter in den drei Teilgebieten “Rioja Alta”, “Rioja Baja” und “Rioja Alavesa” eine erstaunliche Vielfalt liefern. Durch die genauen Regelungen kommt aber eine Art “rote Linie” hinzu, die dafür sorgt, dass man die Weine bei allen Unterschieden immer erkennen kann als das, was sie sind: Weine aus dem Rioja.
Dem Weinkäufer – auch dem Einsteiger – macht es die Region Rioja übrigens sehr leicht. Die grundsätzliche Stilrichtung eines Weines erkennt man nämlich sehr einfach an der Farbe des Rücken-Etiketts. Das funktioniert so ähnlich wie früher beim Frankenwein, als es für liebliche, halbtrockene und trockene Weine verschiedenfarbige Etiketten gab. Beim Rioja ist es so: Ein hellgrünes Etikett steht für einen “generischen”, also typischen Wein. Bei diesen Weinen gibt es relativ wenige Vorschriften, deshalb ist hier die Bandbreite besonders groß und man findet viele spannende Tropfen. Weiter gehts mit der – übrigens häufig unterschätzten – Stufe Crianza und einem hellroten Etikett. Das setzt sich fort bei den Reservas (mit dunkelrotem Etikett) und schließlich den Gran Reservas. Sie wird mit einem dunkelblauen Etikett gekennzeichnet. Ab der Kategorie Crianza findet man Weine, deren Herstellung von Stufe zu Stufe immer genauer geregelt ist und die deshalb besonders typisch oder, anders gesagt, besonders “klassisch” sind. Mehr Informationen über Rioja gibt es übrigens hier.
Für meinen großen Test mit weißen und roten Rioja-Weinen sowie einigen Rosés mußten wir natürlich erst mal die richtige Testumgebung schaffen. Also hielt ich mich an ein weiteres spanisches Klischee, das viel Freude machen kann: Tapas. Zum Wein gab es selbst gebackenes Weißbrot, dass wir dann mit Knoblauch und Tomate einrieben (“Pan con Tomate”, schöne Oliven, eingelegte Sardellen (“Boquerones”) und Fleischbällchen in Erbsensauce (“Albundigas”).
Eines merkte ich dabei schnell: Die Rosés sind zarte Gemüter. Sie fühlen sich mit weniger intensiv schmeckenden Speisen am wohlsten, passen also sehr gut zu Fisch oder einem frischen Sommersalat. Besonders viel Spaß machen sie aber solo. Jenseits dieses gemeinsamen Nenners bot sich mir aber auch hier ein ebenso spannendes wie weites Feld. Es begann mit dem für meine Begriffe trotz seiner Jugend schon der runden Azabache 2016. Der Wein ist aus der Granache-Traube gekeltert und ganz einfach ein schöner, unkomplizierter Genuß für den Sommer. Ganz anders der “Conde de Valdemar Rosado” 2016. Er überrascht mit einer äußerst deutlichen Fruchtnote von Himbeeren, bleibt aber trotzdem elegant – und ist übrigens preislich ein echtes Schnäppchen. Der “Graciano Rioja” 2016 vom Weingut Proelio dagegen zeigt sich völlig rund, ohne auffällige Extreme im Geschmack, dabei komplex und vielschichtig.
Überhaupt nicht auf dem Schirm hatte ich bis dato die Tatsache, dass es auch Weißweine aus dem Rioja-Gebiet gibt – und weiß Gott keine schlechten. Das Thema ist zwar noch relativ klein, aber im Aufschwung. Und wenn ich so sehe, was ich an Weißweinen aus Rioja probieren durfte – da kann man nur gespannt sein, was die Zukunft noch bringt.
Mein Einstieg in die Rubrik “Weißweine” war der schöne, unkomplizierte “Iron Seven” 2015, der zu meinen Boquerones richtig viel Spaß machte. Der “Viura-Malvasia” 2016 von der Vina Pomal ist genau das, nämlich eine Cuvée aus den beiden autochthonen Rebsorten Viura und Malvasia. Und außerdem ist er ein Fest an Fass, sozusagen: Der noch junge Wein hat vier Monate auf Barriques verbracht. Und das ergibt zusammen mit den ungewöhnlichen Rebsorten einen absolut unverwechselbaren Geschmack. Gut so!
Auch meine dritte Weißwein-Stichprobe war aus der Viura-Traube gekeltert. Ich hatte einen “Viura 2016” vom Weingut Beronia. Er ist klarer, “grüner” als die anderen beiden Weine, allerdings hat er mit 12,5 Prozent Alkohol genau so viele Umdrehungen. Ihn würde ich zu delikaten und fein abgeschmeckten Gerichten empfehlen – aber auch dieser Wein fühlt sich an einem Sommerabend auf dem Balkon sehr wohl.
Aber kommen wir langsam zum Höhepunkt: Den roten Riojas. Nicht weniger als fünf verschiedene Weine hatte ich zu verkosten. Manchmal ist das Bloggerleben ganz schön hart.
Eines muß man beim Thema “rote Riojas” unbedingt vorweg sagen – nein, eigentlich zwei Dinge: Diese Weine sind etwas für Liebhaber von Gerbstoffen, wie sie bei der Tempranillo-Traube typisch sind. Diese Gerbstoffe sind eins der eingängigsten Charakteristika der Riojas, und um diese zu zähmen kommt das 225 Liter fassende kleine Holzfass, das Barrique, zum Einsatz. Zusätzlich zu der Vanille- und Röstaromatik, die bei dieser Art der Vinifikation entsteht, spielen die Rioja Weine vor allem mit einer dunklen Waldbeeren-Aromatik und einer Vielfalt an Obst-Aromen. Der zweite wichtige Punkt: Man sollte alle roten Riojas UNBEDINGT dekantieren und mindestens eine Stunde atmen lassen. Erst dann entfaltet sich der volle Geschmack. Direkt aus der Falsche ist selbst eine Gran Reserva noch nicht der Burner – aber eine Stunde später: Alter Schwede!
Insgesamt hatte ich zwei Weine der Kategorie “Crianza”, zwei “Reservas” und eine “Gran Reserva” zu probieren. Ich begann ohne allzu große Erwartungen mit einem Tempranillo des Jahrgangs 2014 vom Weingut Casado Morales. Schon dieser ungefilterte Wein zeigt aber, welche Komplexität ein Wein erreichen kann, wenn der Winzer es versteht, die Eigenheiten seines Terroirs herauszuarbeiten. Ähnlich und doch anders zeigte sich der “Castroviejo” 2013 vom Weingut Pastor Diaz. Die Cuvée aus viel Tempranillo und ein bißchen Garnacha und noch weniger von der autochthonen Graciano-Traube arbeitet das Barrique-typische Vanille-Aroma sehr schön heraus und ist ingesamt eine runde Sache.
Bei den Reservas und der Gran Reserva, die ich zu testen hatte, gibt es aus meiner Sicht eigentlich keine Qualitätsunterschiede mehr, sondern nur noch Ansichtssachen. Sehr gut gefiel mir der auch von Fachleuten sehr hoch bewertete Reserva 2012 von der Bodega Roda. Dieser Spitzenwein drängt sich nie auf und bietet geschmacklich nicht nur in der Breite, sondern auch in der Tiefe, also der zeitlichen Abfolge der Aromen, eine ungeheure Fülle. Der Reserva 2009 von Marques de Terán ist eine Cuvee aus Tempranillo, Garnacha und Mazuelo, er lagert lange in zwei verschiedenen Sorten von Eichenfässern. Heraus komm dabei am Ende ein etwas männlicherer Wein, wenn ich mich da verständlich ausdrücke. Es ist alles etwas kräftiger als beim Wein von Roda – eher Ölfarbe als Pastell, eher van Gogh als Degas, wenn man es mal mit einem Vergleich aus der Malerei versuchen möchte.
Der letzte Wein und auch der Höhepunkt meiner Verkostung war ganz ohne Zweifel die Gran Reserva von Marqués de Cáceres. Hier möchte ich eigentlich gar nicht lange philosophieren oder mit schlauen Wein-Vokabeln um mich werfen. Ich zitiere einfach mich selbst, nämlich den Eintrag in meinem Notizbuch direkt bei der Verkostung: “Nagel´ mich an die Wand, Alter!”. Ich habe dem nichts hinzuzufügen.