Leichtes Kartoffelpüree mit fruchtigem Olivenöl. Eine Mini-Mini-Mini Eiswaffel aus Maisteig. Getrocknete und gehobelte Jakobsmuschel. Was ist das? Genau: Ein Amuse, und zwar im neuen Restaurant Joway in Nürnberg von Chefkoch Jonathan Düll. Was mir dazu einfällt? Ich halte das für ganz großes Kino. In der Reihe der erinnerungswürdigen Amuses, die ich schon genießen durfte (eine nach 30 Jahren noch unvergessene Lauch-Quiche bei den Haeberlins im Elsaß, ein kaltes Paprikasüppchen im Essigbrätlein, tolle gepuffte Fischhaut bei Rene Stein im Schwarzen Adler in Kraftshof, ein Radieschen bei nobelhart und schmutzig) sortiert sich dieser kleine Spaß nahtlos ein.
Maiswaffel, Kartoffelpüree und geraspelte Jakobsmuschel als Amuse im Restaurant Joway Nürnberg: Ich bin ein Fan. Foto: Thomas Gerlach
Klar: Das tendenziell leicht scharfe Olivenöl und das auch geschmacklich sehr weiche Kartoffelpüree haben schon eine kleine Diskussion miteinander – aber dann kommt die Jakobsmuschel als Umamibombe im Miniaturformat und versöhnt alle wieder schön miteinander. Doch, das funktioniert sehr gut für mich. Und außerdem ist hier jemand offensichtlich – und im besten Sinne! – Gaga genug, um eine im Einkauf nicht ganz günstige Jakobsmuschel über nach in den Dörrautomaten zu geben, bis davon fast nichts mehr übrig ist – und das dann per Microplane aufs Gericht zu befördern. Ich kann nur sagen: Wow, Herr Düll. Wow.
Man sieht aber auch schon an dem kleinen Gruß aus der Küche: Das Joway Nürnberg ist nicht die nächste hyperlokale Kopie von etwas, das sich jemand in Berlin ausgedacht hat. Das Joway Nürnberg von Besitzer und Serviceleiter Johannis Hannweg ist schon was eigenes. Und es geht offensichtlich nicht primär darum, das alle Zutaten im eigenen Vorgarten wachsen (das aber bitte jetzt nicht falsch verstehen, ich finde manche hyperlokalen Ansätze, etwa den von Felix Schneider oder Dylan Watson-Brawn, durchaus essens- und beachtenswert). Sondern es geht darum. was schmeckt.
Das erlebe ich schon gleich beim nächsten Gang ein weiteres mal. Ich bekomme eine sanft gebeizte Goldforelle mit zurückhaltend gepickelter Gurke, gepufftem Buchweizen, aber vor allem einer traumhaften Creme aus Eigelb (und ein bisschen Chardonnay-Essig). Das ist für mich ein sehr stimmiges Spiel mit Geschmäckern, Konsistenzen, Texturen, Formen und Farben. Aber dabei eben trotzdem nicht zu kompliziert, keine 30 Komponenten auf dem Teller, sondern genug. Und stimmig. Alles sehr stimmig.
Es geht weiter: Ich bekomme einen Suppenteller, der mit einer schwarzen Knoblauchcreme grundiert ist. darauf hübsche Röllchen von gelber und grüner Zucchini und perfekt geröstete Cashews. Am Platz wird darüber ein leichtes Safransüppchen auf Hühnerfond-Basis gegossen. Ich bin erstmal traurig, dass das schöne Zucchini-Origami in den gelben Fluten ertrinkt…. aber das Ergebnis überzeugt mich geschmacklich wiederum absolut. Wir haben hier insgesamt sehr runde Aromen, die sich geschmacklich alle in einer ähnlichen Ecke tummeln. Aber dann kommt das Umami von Knoblauch und Hühnerbrühe, die leicht erdige Spitze im Safran und der Crunch von den Cashews. Feinfein.
Der nächste Gang – ich sag´s ganz offen – ist mein erstes Highlight des Abends. Es handelt sich diesmal um eine gegrillte und dehydrierte Wassermelone, dazu gibt es ein Schafsmilcheis, Melonensirup und eine Fenchel-Asche. Ein wenig Fenchelgrün mit Blüten liefert noch etwas Farbkontrast. Mein Fazit: Alleine die Melone ist ein Erlebnis. Dabei bin ich bei gegrillter Melone eigentlich immer sehr skeptisch, auch wenn das selbst absolute Kochgiganten wie Thomas Keller durchaus gerne mal zubereiten. Aber normalerweise führen der hohe Wassergehalt der Melone und die scharfe Hitze des Grill zu einem aus meiner Sicht unauflösbaren Widerspruch: Man kann halt Wasser einfach nicht grillen. Aber hier. Leute! Durch die zusätzliche Dehydrierung umgeht man das Wasserproblem bei der Melone natürlich ein Stück weit. Und hey, natürlich haben Melonen gerade Hauptsaison. Beides zusammen führt zu einem “satten” Mundgefühl, von dem man einfach nicht genug kriegen kann. Ich könnte wahrscheinlich eine komplette Melone auf diese Art vertilgen. Aber auch bei diesem Gang gilt wieder: Es sind relativ wenige Komponenten, die hier einfach sehr gut (um mir das Wort “perfekt” an dieser Stelle zu verkneifen) zusammenspielen.
Als nächster Gang folgt eine “Poverade” – was ich nicht wußte: Das ist eine besonders kleine Artischocke, hier sauber ausgelöst, gekocht und eingelegt. Das Gemüse wird begleitet von einer Austern-Velouté, Dillöl und gerösteten Sonnenblumenkernen. Ein schöner, leichter, sommerlicher Gang.
Und langsam kommen wir zu den Hauptgängen. Den Anfang macht diesmal Fleisch: Ein sous vide gegarter Schweinebauch mit gepopptem Amaranth, einem Schaum von grüner Paprika und einem Chorizo-Sößchen. Also, erstmal: Die Kombination von Schwein(ebauch) mit Schwein (Chorizo) ist schon mal überhaupt nicht ohne, ebenso die Kombination von Paprika (grüne) mit Paprika (Chorizo). Der wahre Star dieses Gangs ist für mich aber eben die grüne Paprika, die man in der Gourmetküche nur äußerst selten (wenn überhaupt) bekommt, obwohl die ja im Grunde unreife Frucht in manchen Länderküchen (Südstaaten der USA, Mexiko, Indien) eine nicht geringe Rolle spielt. Aber sei dem, wie dem ist: Hier fügt sich das grasige, gaaaanz leicht bittere Arome der Paprika wunderbar in ein wiederum – ich kann´s nicht anders sagen – sehr rundes Gesamtbild ein. Leider habe ich vergessen, den übrigens ebenso entspannten wie fachkundigen Service zu fragen, wie der Schweinebauch gegart wurde. Ich vermute, deutlich über 60°, denn er hatte durchaus Wumms, sprich Biss. Das soll jetzt aber keine Kritik sein, denn wenn es anders gewesen wäre, dann hätte diesem Gang aus meiner Sicht etwas Substanz gefehlt.
Und damit kommen wir zum Fischgang, oder genauer: Einem schönen Stück vom Stör, ebenfalls sous vide gegart und von traumhafter Konsistenz. Aber auch hier wieder macht eine ungewöhnliche Kombination den Gang interessant: Der Fisch wird begleitet von Ananas sowie Lardo (also Schweinerückenspeck), der mithilfe eines Bunsenbrenners leicht angeknuspert wurde. Die Kombination von Lardo und Obst (zum Beispiel Feigen) ist zwar in Italien nichts ungewöhnliches (und es funktioniert immer SEHR gut!), aber hier kommt eben noch als zusätzliche Ebene das Spiel mit den leichten Raucharomen hinzu. Als weitere Komponenten vervollstängen knackige gelbe Beete aus dem Spiralschneider sowie ein dezenter Lardo-Fond das Gericht.
Bleibt mir nun noch, über das Dessert zu berichten. Regelmässige Leser dieses Blogs wissen ja: Ich bin grundsätzlich kein soooo großer Freund von süßen Sachen. Die in der Speisekarte annoncierte Kombination aus Banane, Purple Curry und Petersilieneis aber hat mich interessiert, und deshalb habe ich das Dessert bestellt. Es war am Ende allerdings der einzige Gang, der mit nicht wunschlos glücklich zurückgelassen hat – was aber wie gesagt durchaus an meiner grundsätzlich wenig ausgeprägten Desser-Liebe liegen kann.
Aber jedenfalls. Es kam also eine Bananencreme mit deutlichem Aroma und der Konsistenz einer Mousse, die offenbar in einer Silikonschablone in Gugelhupf-Form portioniert worden war. Darüber war Purple Curry gestreut, daneben lagen “Kieselsteine” mit Petersilienaroma und ein dunkelgrünes Petersilieneis. Zu diesem Gang habe ich zwei Anmerkungen. Zum einen kam mir das Purple Curry etwas zu kurz. Es hätte hier aus meiner Sicht die Funktion, zusätzlich zur Petersilie etwas Säure beizusteuern. Die zweite Anmerkung ist, dass bei diesem Gang das Spektrum der Aromen, für mich ein Stück weit überraschenderweise, relativ eng begrenzt war. Deshalb gibt es hier eben genau keinen Spannungsbogen wie noch im Amuse zwischen Olivenöl und Kartoffel. Aber natürlich sind das alles Geschmacksfragen und es kann durchaus sein, dass andere Leute das Thema anders sehen. Und natürlich war es trotzdem ein schönes Dessert – es ist ja auch alles immer eine Frage des Vergleichs.
Insgesamt gibt es aber für mich überhaupt keine Frage: Das “Joway” ist eine wirklich tolle Erweiterung im gastronomischen Stadt Nürnberg. Ich würde mich sehr freuen, wenn die Küche das bei meinem Besuch gezeigte Niveau halten könnte und würde mich dann überhaupt nicht wundern, wenn dafür eines Tages vielleicht sogar ein Michelin-Sternchen vom Himmel fiele.